Rede von Matheos Pontikos (Auszug),
Galerie im Turm, Berlin Januar 2004
... Der Künstler benutzt lediglich einen breiten Malerpinsel, der
Rest geschieht mit Händen, Lappen etc. Es wird gekratzt, geschabt,
gewischt, gespritzt, aufgetragene Farbe wird entfernt. Herkömmliche
Malerei ist dies nicht. Kellig kommt von der Figuration her, d.h.
von der Porträt- und Aktzeichnung. Wie viele andere zeitgenössische
Maler zog es ihn zur Landschaft im weitesten Sinne. Will sagen,
seine Kunst verkörpert jenen Prozeß, der sich in der
Kunstgeschichte vom romantischen Landschaftsbild bis zur
Farbfeldmalerei ereignet hat. Dazwischen: Experimente mit dem
Informell, deren Spuren man noch teilhaftig an der Materialstruktur
der neueren monochromen Bilder erkennt. Die neuerdings recht
meditativ erscheinenden Werke Kelligs sind das Ergebnis einer oft
harten Auseinandersetzung mit dem Material unter dem Einsatz der
ganzen Person. Schaffender und Bild stehen in einem äußerst
konfliktreichen Verhältnis zueinander, Stimmungen entladen sich oft
gestisch-impulsiv im Bild. Die Widrigkeit des Materials, die
Spannung zwischen Idee und Ausführung kann durchaus zu Aggressionen
führen. Mögen zwar anfangs allgemeine Bildvorstellungen vorliegen,
so sind die Ergebnisse dennoch selten vorauszusehen. Dabei wird man
dem Künstler Recht geben müssen, wenn er seine Werke nicht
abstrakt, sondern realistisch nennt. Realistisch sind sie
materialiter, weil sie Farbe, Sand und andere Stoffe um ihrer
selbst willen präsentieren, realistisch sind sie wiederum in
abbildlicher Hinsicht, weil sie in der Tat oft Wänden, Mauern
nachempfunden sind. Dennoch sollen sie additiv Farbklänge erzeugen,
haben somit auch farbpsychologisch-dekorative Dimensionen. Die
gelegentlich gewählte Form des Triptychons fordert geradezu auf,
ans Altarbild zu denken. Sie erinnert auch daran, daß die moderne
Farbfeldmalerei aus der Tradition des romantischen
Landschaftsbildes entsprang, das in der Tat noch eine quasi-sakrale
Funktion hatte. Ziel der Romantiker war es, der damalig
vorherrschenden pantheistischen Geistesströmung entsprechend Gott
in die Natur hinüberzuretten. Ein Jahrhundert später hat Einsteins
Relativitätstheorie das Euklidische Weltbild zunichte gemacht.
Repräsentation schien nicht mehr möglich. Die darauf reagierenden
abstrakten Expressionisten sind oft als reine Formalisten
aufgefasst worden, aber es ist daran zu erinnern, daß Menschen, die
Mark Rothkos schwarze Bilder in einer Kapelle in Houston, Texas
betrachteten, tief erschüttert, geweint haben sollen, weil
religiöse Empfindungen angesprochen waren. ...
Matheos Pontikos